Tagung zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen am 16.1.2015 an derHumboldt-Universität Berlin

21.01.2015

 

Nach dem wissenschaftlichen Kolloquium zur Verbraucher-ADR in Freiburg am 28. November 2014 wurde nun auch in Berlin an der Humboldt-Universität die Richtlinienumsetzung kontrovers diskutiert.

Die Veranstalter Prof. Dr. Gerhard Wagner, LL.M. (Chicago) und Prof. Dr. Giesela Rühl, LL.M. (Berkeley) haben dabei sieben Kernthemen zur Diskussion gestellt. Die intensiven Erörterungen dieser Themen führten neben einiger Kritik am Entwurf auch zu konkreten Optionen für die Umsetzung der ADR-Richtlinie.

So wurden die von Christoph Decker (Europäische Kommission) zunächst dargelegten Ziele der Richtlinie kritisch beleuchtet. Auch bei dieser Tagung wurde deutlich, dass das Ziel der Regelung einer schnellen, kostengünstigen und einfachen Streitbeilegung als durchaus erreicht angesehen wird, die Regulierung von Streuschäden und Konflikten mit geringem Streitwert dagegen immer noch nicht erfolgt ist. Vielmehr kam zuweilen die Anregung, eher das bestehende Zivilprozessrecht europaweit einheitlich zu regeln und so besseren gerichtlichen Rechtsschutz zu erhalten.

Demgegenüber legte Prof. Dr. Reinhard Greger dar, durch die ADR-Regelungen sollen die Verbraucher eine Alternative zum Gerichtsverfahren bekommen. Der Zweck liege nicht in der Verdrängung oder dem Ersatz von schlechter Justiz. Vielmehr sei außergerichtliche Streitbeilegung ein zusätzliches Angebot zur kostengünstigeren und einfacheren Befriedigung. Dem entspreche auch der Grundsatz der Freiwilligkeit, der im Entwurf des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG-E) auf Verbraucherseite vielfach niedergelegt sei und den Zugang zu beiden Formen der Streitbeilegung garantiere.

Problematisch,  so Greger, sei allerdings die fehlende allgemeine Teilnahmepflicht für Unternehmer. Der Referentenentwurf regelt, noch umfassender als die Richtlinie, die Informationspflichten des Unternehmers, die zumindest eine „moralische“ Verpflichtung herbeiführen sollen. Insbesondere wegen der fehlenden Sanktionierungsmöglichkeit fehle der Regelung des § 34 VSBG-E allerdings die nötige Konsequenz. Aus diesem Grund sollte die Regelung nicht mit in das VSBG aufgenommen werden. Es sei sinnvoller, bei einer fehlenden Teilnahme des Unternehmers an einem Streitbeilegungsverfahren eine Entscheidung nach Lage der Akten vorzusehen, ähnlich wie in der Schlichtung nach dem LuftVG.

Als weitere Kritikpunkte führte Greger die Dezentralität der Auffangstellen der Länder und die Offenheit gegenüber kleinen privaten Schlichtungsstellen an. Durch eine Zusammenführung von Kompetenzen sollten Zersplitterung und Verwaltungsaufwand vermieden werden.

Ulrike Janzen (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) rechtfertigte die Dezentralität demgegenüber mit der Möglichkeit einer ortsnahen Entscheidung.

Bei der Frage der Freiwilligkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung sprach sich Prof. Dr. Horst Eidenmüller, LL.M. (Cambridge) gegen eine allgemeine Teilnahmepflicht aus. Zwar sei es notwendig, flächendeckend ADR zu ermöglichen. Zur Überwindung diverser Hindernisse (Angst, Unkenntnis, Abneigung etc.) sei auch eine grundsätzliche Pflicht zur Teilnahme nötig. Allerdings sei es nicht sinnvoll, eine allgemeine Pflicht zu regeln. Vielmehr müsse im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob eine Verpflichtung zur Teilnahme sinnvoll ist. Denn dies sei von der Art und Struktur des Verfahrens, den Zugangshindernissen und anderen Aspekten abhängig. Im Einzelfall könne dann über § 278 Abs. 5 ZPO eine Verweisung an den Güterichter auch gegen den Willen des Betroffenen erfolgen. Insbesondere für Fälle mit Streuschäden und geringem Streitwert sei laut Eidenmüller eine ADR-Pflicht aber nicht geeignet, auch nicht für Unternehmer.

Prof. Dr. Astrid Stadler beleuchtete die Ausgestaltung des Schlichtungsverfahrens ebenso wie die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der streitbeilegenden Person. Dabei sieht sie das größte Problem in der Findung eines unparteilichen und unabhängigen Schlichters. Schon die Verbindungen der Schlichtungsstelle  bzw. eines Schlichters mit einem bestimmten Unternehmen (private Schlichtungsstellen) scheinen Interessenkonflikte heraufzubeschwören. Nichtsdestotrotz werde in der Praxis auch solchen Stellen großes Vertrauen durch den Verbraucher entgegengebracht, nicht zuletzt wegen der speziellen Sachkunde.

In Zusammenhang damit sei die vom Referentenentwurf geforderte Drei-Jahres-Frist nach § 5 Abs. 3 zu lang und in Bezug auf die betroffenen Unternehmen zu weit gefasst. Es werde schwierig, einen qualifizierten Schlichter mit dem nötigen Sachwissen zu finden. Deswegen schlägt Stadler vor, die Frist auf ein Jahr zu verkürzen und eine Offenlegung vorheriger Tätigkeit des Schlichters für das betroffene Unternehmen gegenüber den Beteiligten vorzunehmen. Schwierigkeiten bereite auch die Wahrung der Unabhängigkeit durch getrennte Finanzierung.

Weitere Unklarheiten wirft die Qualifikation der streitbeilegenden Person auf. Prof. Dr. Beate Gsell leitete die Anforderungen hieran aus verschiedenen Normen der Richtlinie und des Referentenentwurfes her und kam schließlich auf ein aus ihrer Sicht eher unbefriedigendes Ergebnis. Danach wäre eine juristische Qualifikation des Schlichters notwendig, in Deutschland also die Befähigung zum Richteramt. Besser wäre es aber, so Gsell, schon vorab zu klären, was die Entscheidungsgrundlage darstellt. Sollte dies das geltende Recht sein, so wäre eine juristische Qualifikation notwendig. Liege der Schwerpunkt aber auf anderen Aspekten, sei eine solche unnötig.

Dieser Gedanke stehe auch hinter dem Referentenentwurf, erläuterte Ulrike Janzen. Denn nicht immer seien juristische Fragen Verfahrensgegenstand.

Gsell führte außerdem an, dass § 17 Abs. 1 VSBG genauer festlegen sollte, welches Maß an Rechtstreue des Schlichters notwendig ist. So könne sich die Lösung eher an der Billigkeit und Fairness orientieren oder aber eine vollständige Rechtslösung darstellen.

Im Verhältnis der Richtlinie und deren Umsetzung zu Mediation und Schiedsgerichtsbarkeit stellte Prof. Dr. Jens Kleinschmidt, LL.M. (Berkeley) unter anderem fest, welche Möglichkeiten sich hier für die Mediatoren bieten. Für sie könne durch die Anerkennung als Schlichtungsstelle ein – bisher fehlendes – Qualitätssignal gesetzt werden. Trotzdem werde die ADR-Richtlinie nicht zur Umgestaltung der Mediations- bzw. Schiedsgerichtslandschaft führen, möglicherweise dieser aber neuen Auftrieb verschaffen.

 

Ass. Jur. Josephine Odrig