Hinweise zur Einrichtung von Schlichtungsstellen durch Kammern und Verbände

Seit 1. Februar 2017 müssen alle Unternehmer – Gewerbetreibende wie Freiberufler, Händler, Handwerker, Dienstleister, Vermieter usw. – ihre Privatkunden („Verbraucher“) auf die für sie zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinweisen, wenn sie eine Vertragsstreitigkeit nicht beilegen konnten; zudem müssen sie angeben, ob sie zu einem Streitbeilegungsverfahren bei dieser Stelle bereit oder verpflichtet sind (§ 37 VSBG). Größere Unternehmen (mit mehr als zehn Mitarbeitern) müssen entsprechende Informationen in ihre AGB und Internetseiten einstellen (§ 36 VSBG). Sofern für ihren Tätigkeitsbereich keine spezielle Verbraucherschlichtungsstelle existiert, müssen sie auf die Universalschlichtungsstelle des Bundes (https://www.verbraucher-schlichter.de) verweisen. Diese Stelle bietet eine unabhängige, kompetente, relativ kostengünstige und effiziente, weitgehend online durchgeführte Konfliktbeilegung an.

In vielen Fällen könnte die Lösungssuche aber durch eine spezielle Branchenkenntnis des Vermittlers erleichtert werden; die guten Erfolge der bereits für bestimmte Wirtschaftszweige (z.B. Banken, Versicherungen, Personenverkehr, Energieversorgung) eingerichteten Schlichtungsstellen belegen dies. Wirtschaftsverbände und Kammern sollten daher prüfen, ob sie auch für ihren Zuständigkeitsbereich Alternativen zur Allgemeinen Schlichtungsstelle anbieten oder initiieren können. Dies könnte in folgenden Formen geschehen:

1. Errichtung einer privaten Verbraucherschlichtungsstelle

Hierfür muss ein eingetragener Verein gegründet werden, der als Träger der Stelle fungiert und über einen eigenen Haushalt verfügt (§ 3 VSBG). Wird er von einem Unternehmensverband finanziert, muss ein Verbraucherverband gem. § 9 VSBG in bestimmte Organisationsakte einbezogen werden.

Den Umfang ihrer Zuständigkeit kann die Stelle festlegen (§ 4 Abs. 2 S. 1 VSBG), z.B. auf bestimmte Vertragsarten oder auf Verbandsmitglieder beschränken.

Als Streitmittler ist ein Volljurist (ab 1.9.2017 alternativ ein zertifizierter Mediator) einzusetzen, dessen Unparteilichkeit sich insbesondere darin manifestiert, dass er nicht erfolgsabhängig und nicht von einem einzelnen Unternehmer vergütet werden darf und für mindestens drei Jahre zu bestellen ist (§§ 7, 8 VSBG). Außerdem darf er in den letzten drei Jahren vor seiner Bestellung nicht für einen an der Verbraucherschlichtung teilnehmenden Unternehmer oder einen einschlägigen Verband tätig gewesen sein (§ 6 Abs.3 VSBG). Die letztgenannte Voraussetzung entfällt, wenn die Streitvermittlung einem Gremium übertragen wird; allerdings müssen diesem dann Vertreter von Unternehmer- und Verbraucherinteressen in gleicher Anzahl angehören (§ 7 Abs. 5 VSBG).

Wenn alle gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind und auch die Verfahrensordnung dem VSBG entspricht, wird die Einrichtung auf Antrag vom Bundesamt für Justiz als Verbraucherschlichtungsstelle anerkannt. Der Unternehmer kann dann seinen Hinweispflichten nach §§ 36, 37 VSBG genügen, indem er diese Stelle benennt. Ob er im konkreten Fall an einem Verfahren bei dieser Stelle teilnimmt, steht ihm aber frei, sofern er sich nicht vertraglich dazu verpflichtet hat.

Für die Finanzierung der Stelle kommen Mitgliedsbeiträge und Spenden zugunsten des Trägervereins sowie von den Unternehmern zu zahlende Verfahrensgebühren (§ 23 VSBG) in Betracht.

2. Errichtung einer behördlichen Schlichtungsstelle

Institutionen mit öffentlich-rechtlichem Status, z.B. Kammern, können auch eine behördliche Schlichtungsstelle i.S.v. § 28 VSBG errichten. Hierfür bedarf es keiner Vereinsgründung und keiner Anerkennung. Für die Verfahrensordnung, die Zuständigkeitsbestimmung sowie für Qualifikation und Unabhängigkeit des Streitmittlers bzw. Streitmittlergremiums gelten jedoch dieselben Vorgaben. Die Beteiligung eines Verbraucherverbands nach § 9 VSBG ist nur erforderlich, wenn die Stelle bei einer Kammer eingerichtet ist.

Für die Finanzierung gilt nicht das Erfordernis eines getrennten Haushalts. Entgelte können in einer Kostenordnung (Satzung) geregelt werden, die nicht an § 23 VSBG gebunden ist. Vom Verbraucher können aber nach Erwägungsgrund 41 der Richtlinie 2013/11/EU nur „niedrige Kosten“ verlangt werden.

Soweit behördliche Schlichtungsstellen diesen Vorgaben entsprechen und sich die Bezeichnung als Verbraucherschlichtungsstelle beilegen, können sie in den Informationen nach §§ 36, 37 VSBG als zuständige Stellen benannt werden.

3. Streitbeilegungsangebote außerhalb des VSBG

Verbände und Kammern können auch Einrichtungen schaffen oder auf die Schaffung von Einrichtungen hinwirken, die ohne Bindung an die Vorgaben des VSBG bei Verbraucherstreitigkeiten vermitteln (z.B. Beschwerde-, Ombuds-, Schieds- oder Gutachterstellen). Diese dürfen nur nicht als „Verbraucherschlichtungsstelle“ bezeichnet werden (§ 2 Abs. 2 VSBG).

Ihre Benennung gegenüber dem beschwerdeführenden Kunden ersetzt zwar nicht die Bezeichnung der (an sich) zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle nach § 37 VSBG. Der Unternehmer könnte aber, statt sich der Verbraucherschlichtung gänzlich zu verweigern, seine Bereitschaft zur einvernehmlichen Konfliktbeilegung bei der anderen Stelle erklären.

Der allgemeine Hinweis nach § 36 VSBG könnte etwa wie folgt gestaltet werden:

„Wir sind bestrebt, etwaige Meinungsverschiedenheiten aus unserer Vertragsbeziehung auf einvernehmliche Weise beizulegen. Bei etwaigen Beschwerden können unsere Kunden sich daher an … wenden. Die Verjährung etwaiger Ansprüche ist für die Dauer dieses Verfahrens ausgeschlossen. Sollte dort keine Einigung erzielt werden, steht – ohne vorherigen Schlichtungsversuch bei einer staatlich anerkannten Stelle – der Rechtsweg offen.“

4. Anerkennung der Gütestelle durch die Justizverwaltung

In Ländern, die entsprechende Regelungen erlassen haben (z.B. Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen) kann die von Verband oder Kammer eingerichtete Stelle – unabhängig von ihrer Organisationsform – die Anerkennung als Gütestelle i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO beantragen. Dort getroffene Vereinbarungen können dann als vollstreckbarer Vergleich tituliert werden.

5. Erweiterung des Schlichtungsangebots auf alle Arten von Unternehmenskonflikten

Von besonderem Interesse für die Wirtschaft könnte es sein, wenn die branchenspezifischen und somit besonders fachkundigen Schlichtungsstellen auch bei Streitigkeiten jenseits der Verbraucherkonflikte für eine effiziente Streitbeilegung nutzbar gemacht werden könnten, also auch bei Vertrags- oder sonstigen Streitigkeiten mit einem anderen Unternehmen. Diese Möglichkeit besteht bei allen der vorgenannten Gestaltungsformen, auch bei den Verbraucherschlichtungsstellen im Sinne von Nrn. 1 und 2 (§ 4 Abs. 3 VSBG).

Bei Einrichtungen gem. Nr. 3 und 4 könnte das Schlichtungsangebot auch auf innerbetriebliche (arbeitsrechtliche) Konflikte erstreckt werden; für Verbraucherschlichtungsstellen (Nrn. 1 und 2) ist dies durch § 4 Abs. 3, § 28 VSBG ausgeschlossen.

Zusammenfassung:

Seit 1. Februar 2017 müssen alle Unternehmen offenlegen, ob sie bereit sind, Beschwerden ihrer Privatkunden in einem außergerichtlichen Verfahren prüfen zu lassen und bei welcher Stelle dieser Schlichtungsversuch stattfinden soll. Die Ablehnung eines solchen Versuchs ist kein Zeichen von Kundenfreundlichkeit, der Verweis auf die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung in Kehl nicht immer die optimale Lösung. In vielen Fällen kann es Qualität, Effizienz und Akzeptanz steigern, wenn eine auf dem jeweiligen Gebiet besonders fachkundige Stelle eingeschaltet wird. Wirtschaftsverbände und Kammern sollten deshalb prüfen, auf welche Weise sie auf die Schaffung solcher Einrichtungen hinwirken können.

Weitere Hinweise:

Überblick über die Regelungen des VSBG: Greger, MDR 2016, 365
Leitfaden „Verbraucherschlichtung“ für Unternehmer: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (bmjv.de, PDF)