Mediation in Bewegung – Notizen vom Deutschen Mediationstag in Jena

19.09.2016

Drei Strömungen beherrschten den Deutschen Mediationstag 2016 in Jena: der Ausblick auf neue oder zunehmend gefragte Anwendungsfelder der Mediation, die Besinnung auf deren Essentialia sowie heftige Kritik an der kurz zuvor verkündeten Zertifizierungsverordnung für Mediatoren. 

„Mediation lebt“ resümierte der Leiter der bereits zum achten Mal von der Universität Jena veranstalteten Tagung, Prof. Dr. Christian Fischer, in seinen Abschlussworten und verwies hierfür u.a. auf die vorangegangenen Praxisforen, in denen aufgezeigt worden war, wie Mediation bei Konflikten im Zusammenhang mit der Migration, bei Verbraucherstreitigkeiten, zur Unterstützung des Opfers im Strafprozess, im interkulturellen Wirtschaftsverkehr und bei Konflikten in Unternehmen des non-profit-Bereichs eingesetzt werden kann. Die neuen Aufgaben erforderten aber auch ein neues Mediationsverständnis, ohne dass die essentiellen Merkmale der Eigenverantwortlichkeit und der Gerechtigkeitsorientierung aufgegeben werden dürfen.

Den letztgenannten Aspekt vertiefte Prof. Dr. Katharina Gräfin von Schlieffen in einem Grundsatzvortrag zum neuen Mediationsverständnis. Sie beklagte die Verwässerung des Mediationsbegriffs und die Fokussierung auf das Ausbildungs- und Verbandswesen. Im Mittelpunkt müsse das Ziel der Mediation stehen, den Konfliktparteien das Erlangen eines gerechten Ergebnisses im Wege gemeinsamer Suche zu ermöglichen. Unter Bezugnahme auf das ethische Grundmodell gerechten Verhandelns nach Aristoteles legte sie dar, dass es bei der Mediation darauf ankommt, durch „Klugheit“, d.h. verständiges Selbstbeobachten, Distanzgewinnen, Perspektivenwechseln, Abwägen von Gesichtspunkten „die Mitte zu finden“. Selbstbestimmung, Kooperation, das Ziel relativer Gerechtigkeit und eine ethische Haltung, die es ermöglicht, durch Klugheit die Mitte zu finden, seien die Essentialia der Mediation.

Der Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Patrick Sensburg, der maßgeblich am Erlass des Mediationsgesetzes von 2012 beteiligt war, legte dar, dass mit diesem Gesetz Standards für die Mediation gesetzt werden sollten. Es sollte allmählich ein Berufsbild für Mediatoren entstehen, wofür mit der Möglichkeit, das Qualitätskennzeichen eines „zertifizierten Mediators“ zu erlangen, ein erster Schritt getan werden sollte. Der Gesetzgeber habe dabei auf die Mitwirkung der Fachverbände gebaut, die leider nicht stattgefunden habe. Die aus diesem Grund mit erheblicher Verzögerung erlassene Ausbildungsverordnung dürfe nicht als Abschluss der Entwicklung betrachtet werden; anzustreben sei weiterhin eine Regulierung über den Markt.

Das aufgrund der Verordnung im September nächsten Jahres  Geltung erlangende Zertifizierungsmodell stieß jedoch sowohl im Eingangsreferat Fischers als auch in der abschließenden Podiumsdiskussion auf heftige Kritik. Neben zahlreichen Einzelpunkten wurde auch das Grundkonzept kritisiert, welches entgegen der irreführenden Bezeichnung keine Zertifizierung im Rechtssinn, sondern ein nicht kontrollierbares und äußerst niedrige Anforderungen stellendes Selbstbezeichnungsrecht schafft. Fischer sah darin eine aus Verbrauchersicht sehr bedenkliche Entwicklung und regte an, dass die Fachverbände ein eigenes, vertrauenswürdiges Gütesiegel schaffen. Auf eine Änderung durch den Gesetzgeber, das machte Sensburg deutlich, kann man jedenfalls in nächster Zeit nicht hoffen.