Einzelne Rechtsfragen

Informationspflicht nach § 36 VSBG in den Fällen des § 4 Abs. 2 VSBG

Die Informationspflicht entfällt, wenn der Unternehmer ausschließlich auf den Gebieten aktiv ist, die nach § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, § 29 Abs. 2 von den Zuständigkeiten der Allgemeinen Verbraucherschlichtungs- und der Universalschlichtungsstellen ausgenommen sind (nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, Gesundheits­dienstleistungen, Weiter- und Hochschulbildung durch staatliche Einrichtungen).

Grund: Wenn für diese Bereiche keine Verbraucherschlichtungsstelle eingerichtet werden muss (arg. § 29 Abs. 2: Schlichtungsangebot ist ausreichend, wenn alle anderen Bereiche abgedeckt sind), sollte auch keine Verpflichtung bestehen, auf eine solche zu verweisen. Werden freiwillig Schlichtungsstel­len für diese Bereiche eingerichtet, kann der Unternehmer natürlich auf diese verweisen; ihn trifft lediglich keine Pflicht hierzu.

Die Ansicht, dass eine Informationspflicht gem. § 36 VSBG auch in den gem. § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 VSBG ausgenommenen Bereichen besteht, könnte sich zwar auf den Zweck des § 36 VSBG berufen. Der Zweck von § 36 VSBG ist laut Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/5089, S. 74), „dem Verbraucher das Auffinden der zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle zu erleichtern” und „Klarheit darüber zu schaffen, ob und gegebenenfalls bei welcher Schlichtungsstelle der Unternehmer an einem Verfah­ren zur außergerichtlichen Streitbeilegung nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz teilnimmt”. Beide Zweckaspekte könnten auch dann einschlägig sein, wenn gem. § 4 Abs. 3 VSBG die Tätigkeit der Schlichtungsstelle freiwillig auf die Bereiche gem. § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 VSBG erstreckt wird (Auffinden erleichtert, ggf. zusätzlich Klarheit über Teilnahmeverpflichtung des Unternehmers) oder wenn dies nicht der Fall ist (Klarheit ob der Unternehmer teilnimmt: dann also Klarheit, dass nicht). Allerdings würde dies bedeuten, dass auch Unternehmer, die ausschließlich auf den betr. Gebieten tätig sind (also z.B. Ärzte, Hochschulinstitute usw.) sich ständig informieren müssten, ob irgendwo eine spezielle Schlichtungsstelle gegründet wurde, die außerhalb der gesetzlichen Pflichtaufgaben Schlichtung anbietet (denn sie müssten dann ja erklären, dass sie nicht zur Teilnahme an dortigen Verfahren bereit sind oder vorsorglich eine solche Weigerung generell aussprechen). Dies dürfte nicht den Vorstellungen von Richtlinien- und Gesetzgeber entsprechen.

Zugang zur Tätigkeit des Streitmittlers (§ 6 VSBG)

In der Absicht, dem Verbraucher bestmöglichen Rechtsschutz zu gewähren, hat der Bundestag, abweichend vom Regierungsentwurf, in § 6 Abs. 2 VSBG geregelt, dass der Streitmittler die Befähigung zum Richteramt besitzen, also zwei juristische Staatsexamina abgelegt haben muss. Nur „zertifizierte Mediatoren“ mit Kenntnissen im Verbraucherrecht sollen unabhängig hiervon Streitmittler werden können. Den Status eines „zertifizierten Mediators“ zu erwerben, ist nach gegenwärtiger Rechts­lage jedoch nicht möglich. Diese Bezeichnung darf nach § 5 Abs. 2 MediationsG führen, wer eine Ausbildung abgeschlossen hat, die den Anforderungen der erst am 1.9.2017 in Kraft tretenden Verordnung nach § 6 MediationsG entspricht.

Die Regelung macht somit die Tätigkeit als Streitmittler für Nichtjuristen von einer nicht erfüllbaren Voraussetzung abhängig. Personen, die auf Grund spezieller Sach­kunde (etwa im Bau-, IT- oder Kfz-Sektor) für die Lösung von Verbraucherkonflikten hervorragend geeignet wären oder als Mediatoren das Angebot der Streitbeilegungs­stellen durch eine qualifizierte Vermittlungstätigkeit, etwa in Dauerbeziehungen, bereichern könnten, werden dadurch de facto an der Berufsausübung bzw. am Zu­gang zum Beruf des Streitmittlers gehindert.

Diese Regelung kollidiert nicht nur mit der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG, sondern auch mit dem Gemeinschaftsrecht, denn Personen, die in einem anderen EU-Staat als Streitmittler zugelassen sind, werden von einer entsprechenden Tätigkeit in Deutschland ausgeschlossen. Sie findet auch keine Grundlage in der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten, die mit dem VSBG umge­setzt werden soll. Dort werden lediglich bereichsspezifische Rechtskenntnisse ver­langt (Art. 6 Abs. 1 lit. a), und nach Erwägungsgrund 36 soll von den Streitmittlern nicht gefordert werden, „dass sie für den Berufsstand der Juristen qualifiziert sind“. Desweiteren besteht ein Widerspruch zum Rechtsdienstleistungsgesetz, welches in § 2 Abs. 3 Nr. 2 die Tätigkeit von Schlichtern und Schiedsrichtern auch Nicht­juristen  gestattet.

6 VSBG ist auch in sich widersprüchlich, denn er verlangt einerseits eine volljuristi­sche Ausbildung, verzichtet bei zertifizierten Mediatoren aber auf jede juristische Qualifikation – und dies, obwohl es sich bei der Bezeichnung „Zertifizierter Media­tor“ um ein lediglich wettbewerbsrechtlich relevantes „Gütesiegel“ handelt, über dessen Ver­wendung der Mediator eigenverantwortlich entscheidet, nicht um die Verleihung einer berufsrechtlichen Qualifikation. Das keinerlei öffentlich-rechtlicher Kontrolle unterliegende Führen dieses Gütesiegels kann aber nicht Kriterium für eine Berufszulassung sein.

 

Von der Landesjustizverwaltung anerkannte Gütestellen und VSBG

Gütestellen können, wenn die jeweiligen Voraussetzungen gegeben sind, sowohl nach § 24 VSBG als auch nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO oder § 15a Abs. 6 EGZPO i.V.m. den landesrechtlichen Vorschriften anerkannt sein. Bei diesen Stellen können dann auch vollstreckbare Vergleiche geschlossen werden.

Für die Gebührenregelung kommt es darauf an, in welchem Zuständigkeits­bereich die anerkannte Schlichtungsstelle tätig geworden ist. Wird sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach § 4 Abs. 1 VSBG tätig, unterliegt sie den Vorschriften dieses Gesetzes. Sie kann ein Entgelt daher vom Verbraucher nur nach Maß­gabe von § 23 Abs. 1 S. 1 VSBG erheben. Kommt es nach dem Schlichtungsversuch zu einem Zivilprozess, gelten nicht § 15a Abs. 4 EGZPO bzw. § 91 Abs. 3 ZPO; § 23 VSBG geht als Spezi­algesetz vor. Für die Anwaltsvergütung gilt nicht VV 2303 RVG (Greger/Unberath/Steffek D Rn. 274).

Außerhalb der Zuständigkeit nach § 4 Abs. 1 VSBG gilt anstelle von § 23 Abs. 1 S. 1 VSBG dessen S. 2. Hier können demnach Gebühren erhoben werden. Im etwa nachfolgenden Rechtsstreit können diese von der auch durch die Landesjustizverwaltung anerkannten Gütestelle gem. § 15a Abs. 4 EGZPO bzw. § 91 Abs. 3 ZPO als Kosten angesetzt werden; der Rechtsanwalt kann die Gebühr nach VV 2303 RVG berechnen.